Fumito Ueda hat mit Shadow of the Colossus und ICO zwei ungewöhnliche Spiele geschaffen, die sowohl grafisch als auch atmosphärisch so einzigartig waren, dass sie seiner Zeit die Spielerschaft gespalten haben. Jetzt sind beide Spiele als HD-Remakes für die PS3 erschienen, um auch die Spieler der aktuellen Generation in zwei Hälften aufzuteilen. Das ist Grund genug die Spiele genauer zu betrachten und da ICO das ältere Spiel ist, fange ich auch damit an.
Grafikvergleich beider Spiele auf PS2 und PS3
Die Schöne und das Biest
Das Spiel erzählt uns die Geschichte eines gehörnten Jungen namens Ico, der von seinen Mitmenschen aus der Heimat verbannt und in eine Festung eingesperrt wird. Kinder mit Hörnern gelten in Icos Dorf seit je her als Unglücksboten und werden stets als eine Art Opfergabe in die kalten Mauern gebracht, um lebendig in steinernen Krügen „begraben“ zu werden. Selbst seine Eltern waren froh den Unheilvollen endlich los zu sein. Alleingelassen und eingesperrt harrt der Junge nun seines Schicksals, doch eben dieses beschert ihm unverhofft die vermeintliche Freiheit, da die Erschütterung der sich schließenden Mauern sein Gefängnis zerstört. Nun übernimmt der Spieler die Kontrolle und stellt schnell fest, dass die Festung selbst das eigentliche Gefängnis ist, aus dem man nun entkommen muss. Kurz nach der trügerischen Wiederherstellung der Freiheit lauft ihr einem weiteren Gefangenen über den Weg: der gebrechlich wirkenden Yorda. Da sie leider nicht eurer Sprache mächtig ist und sie überaus hilflos zu sein scheint beschließt Ico kurz entschlossen sie buchstäblich bei der Hand zu nehmen und sie aus dem gemeinsamen Gefängnis zur Flucht zu führen.
Folge mir
Man kann ICO wohl am ehesten als ruhiges Action-Adventure bezeichnen. Es gilt anfangs wenig komplexe Schieberätsel zu lösen und hin und wieder auftauchende Schattenwesen zu bekämpfen. Der Clou dieses Spiels ist es die gigantische Umgebung des Gemäuers zu erfassen, die Übersicht zu gewinnen und alle relevanten Elemente des Rätsels zu finden. Die wichtigste Zutat ist die ständige Präsenz Yordas. Sie ist schwach, scheint auf einem Bein zu humpeln und muss ständig mitgeschleift werden – und das ist wörtlich zu verstehen. Spielerisch wird Yorda mit der R2-Taste an der Hand genommen und durch die Areale gezerrt. Lasst ihr sie los bleibt sie zunächst stehen und wandert nach kurzer Zeit verträumt durch den Raum. Seid ihr weiter von ihr entfernt könnt ihr die Dame kurzerhand zu euch rufen. Die Vokabeln „O-Pock“ (komm her) und „Yada“ (ich kann nicht) werden euch in kürzester Zeit so selbstverständlich sein wie „Hallo“ oder „Hau ab“. Wie in Spielabschnitten von „Metal Gear 2“ oder „Resident Evil 4“, in denen man ebenfalls auf junge Frauen aufpassen musste, habt ihr nun die Aufgabe euren Schützling vor Angriffen zu bewahren und ihr den Weg durch das Labyrinth zu bereiten – allerdings ständig. Anders als Ico kann Yorda nämlich ohne Hilfe keine Abgründe überspringen oder an Vorsprüngen hochklettern. So seid ihr ständig damit beschäftigt für das Mädchen den richtigen Weg zu finden, Türen zu öffnen oder Zugbrücken herabzulassen. Gegner sind erfreulicherweise nicht omnipräsent, was dem Spieler viel Zeit zum Kniffeln bietet. Erfolgt aber eine Attacke der geheimnisvollen Schattenwesen ist Schnelligkeit gefragt. Die Schatten konzentrieren sich auf euren Schützling und versuchen sie in ihre Welt zu ziehen. Können die Angreifer nicht rechtzeitig vertrieben werden oder schafft ihr es nicht Yorda aus dem Portal zur anderen Welt zu ziehen erscheint der Game Over Screen. Da die Gegner mit einfachen, variationslosen Schlägen eures Stockes oder Schwertes besiegt werden können, stellt lediglich die Masse der Opponenten eine Herausforderung dar.
Knifflig wird die Steuerung erst bei den Versuchen die Übersicht zu bekommen. Ihr könnt zwar mit dem rechten Stick die Kamera drehen, seid aber auf einen Radius und einen Winkel angewiesen, der je nach Position im Raum festgelegt ist. Dies ist zwar in sofern hilfreich, unwichtige Teile des Gebiets für die Problemlösung ausschließen zu können, aber eine frei drehbare Kamera sieht anders aus. Mit diesen Einschränkungen belegt kann jetzt mit der Lösung der Rätsel begonnen werden. Dazu muss man Schalter A für Brücke B drücken, um Kiste C nach X zu schieben. Auch wenn sich das nicht aufregend anhört werden diese Rätsel mit zunehmender Spieldauer immer komplexer, was in Einzelfällen durch Probleme mit der Kollisionsabfrage zusätzlich erschwert wird. Es gilt drehende Windmühlenblätter zu erklimmen, Gewässer zu durchschwimmen und stets den alternativen Weg für Yorda zu öffnen, da sie diese Hindernisse nicht überwinden kann. Bosskämpfe sind dagegen Mangelware. Die fließend ineinander übergehenden Spielabschnitte werden zwar immer mit einem Angriff der Schatten gekrönt, variieren dabei allerdings nur in der Gegnerzahl. Lediglich gegen Ende des Spiels tretet ihr gegen einen neuen Feind an, der nur mit Taktik bezwungen werden kann.
Verträumte Welt
Es ist kaum zu glauben, dass ICO ursprünglich aus dem Jahre 2002 stammt. Die Festung wirkt in ihrer Größe und Wuchtigkeit so plastisch und erdrückend, wie es nur ein mittelalterlicher, kalter Bau sein kann. Details wie umher fliegende und landende Vögel, Schmetterlinge, regenumpeitschte Außenareale und Blicke in den Sonnenuntergang lassen kaum Wünsche an der Atmosphäre übrig. Die Charaktere sind ebenfalls mehr als gelungen. In einer Polygon- und Texturenwelt mögen Cellshadingfiguren zwar befremdlich wirken, funktionierten bei ICO aber tadellos. In der HD-Version sind beide Hauptpersonen allerdings voll ausmodelliert, was nicht weniger gut aussieht. Der Junge bewegt sich wie ein Zwölfjähriger, der ungestüm über Mauervorsprünge tobt oder auf schmalen Stegen ballanciert, während Yorda elfenhaft, aber gebrechlich, hinter euch herläuft. All diese Elemente fügen sich zu einem traumhaften Bild zusammen, welches man gerne nach jedem Detail durchsucht oder einfach nur in seiner Schönheit als Gesamtwerk bewundert.
Der Sound fügt sich nahtlos und absolut unspektakulär in dieses Gesamtbild ein. Musik erklingt eigentlich nur während der Kampfeinlagen, den spärlichen Zwischensequenzen oder in den Optionsmenüs. Ansonsten hört man lediglich die Geräusche der Umgebung und natürlich die Schritte der Protagonisten, die ständig von den Mauern widerhallen.
Noch einmal mit Gefühl
Schön, traumhaft, fair, ruhig, entspannend, rührend – all diese Assoziationen fallen spontan zu ICO ein. Dieses Spiel ist ideal für den Feierabend nach einem stressigen Tag, wenn man sich nicht abreagieren, sondern einfach nur abschalten will. Es gibt keine Zeitlimits (von gelegentlichen Angriffen auf euren Schützling mal abgesehen) und jedes Rätsel ist mit ein wenig Ruhe und Übersicht zu entschlüsseln. Das einzige Manko liegt in der kurzen Spielzeit. Zieht man Fehlversuche und Rücksetzpunkte ab bleibt eine Nettospielzeit von ca. 8-10 Stunden. Trotzdem gehört ICO zu meinen persönlichen ewigen Highlights für die PS2, der es tatsächlich würdig auf die PS3 geschafft hat. Die Punkte werden durch Atmosphäre, Liebe zum Detail und einen Schuss Gefühl eingefahren. Besonders empfehlenswert ist dieses Spiel übrigens für Spieler mit „zuschaufreudigen“ Partnern. In unserem Fall hieß es oft:“ Schalte noch mal dieses Spiel mit dem O-Pock ein. Ich will wissen wie es weiter geht.“
leocat/Kathrin sagt:
2. Oktober 2011
Ja, ein wunderschönes Spiel, dass ich gerade mal bis zu 1/3 gespielt habe – dann wurde bei uns eingebrochen und weg war’s. -.- Vielleicht lege ich mir ja doch nochmal die PS3-Ausgabe zu. Auch wenn ich befürchte, dass ich zum Spielen solcher epischen Werke wohl nie mehr kommen werde. Dazu braucht man nämlich Zeit ohne „Klein-Öcks“.
GenesisAUT sagt:
3. Oktober 2011
Sieht sehr spannend aus und Shadow of the Colossus hat mich schon immer interessiert. Leider hab ichs nie gezockt, aber vielleicht komme ich durch die HD Collection endlich in den Genuss 😀