Jan 15

Alan Wake – Mein Videospieljahr 2012


Kommentare sind ausdrücklich erwünscht!

Wenn man die Filme Shutter Island und Mächte des Wahnsinns mit der Idee von Alone In The Dark zu einem neuen Spiel kombiniert, ist relativ klar in welche Richtung das Ergebnis gehen wird. Man erhält ein Survival-Horror-Game mit eine ordentlichen Portion Mystery durch das Verschieben der Realitätsebenen. Garniert man alles noch mit dezenten Hinweisen auf die entsprechende Popkultur aus Film, TV und Literatur, erhält man ein Spiel, dass sich schlicht Alan Wake nennt.

Der kann mir viel erzählen

Der Schriftsteller Alan Wake hat eine Schreibblockade. Um wieder einen freien Kopf zu bekommen schleppt ihn seine Frau Alice auf einen Erholungsurlaub in ein verschlafenes Nest mitten in den Wäldern, das ein wenig an Twin Peaks erinnert. In der romantischen Hütte am See angekommen eröffnet sei ihm, dass Alan hier eine Therapie machen soll, die auf Künstler spezialisiert ist. Der anschließende Streit ist kurz und heftig, ist aber nach wenigen Augenblicken vergessen, als das ganze Haus in Dunkelheit versinkt und Alice panisch aufschreit. Alan erlebt, wie seine Frau in den See stürzt und nicht wieder auftaucht. Im nächsten Augenblick wacht er am Steuer eines verunglückten Autos auf und er stellt fest, dass bereits eine Woche vergangen ist. Der Schriftsteller begibt sich auf die Suche nach seiner Frau und nach der Erinnerung der vergangenen Woche, doch unerklärlicherweise erinnert sich niemand an die Ankunft des Paars.

Licht und Schatten

Alan Wake bewegt sich auf mehreren Ebenen. Zum einen sind da die Abschnitte am Tag, während denen man die Leute löchert und an denen die Geschichte vorangetrieben wird. Neben dieser Gegenwart erinnert sich Alan gelegentlich auch an die gemeinsame Zeit mit Alice, in denen weitere Puzzlesteine gelegt werden. Zum anderen sind da die Abschnitte bei Nacht, in denen Alan sein Leben verteidigen muss. In der Nachtzeit sind geisterhafte „Personen“ mit jeder Art von Hieb- und Stichwaffe unterwegs, um dem Protagonisten das Leben schwer zu machen. Sie erscheinen unvermittelt aus dem Nichts der Dunkelheit und nehmen unerbittlich die Verfolgung auf. Glücklicherweise ist man gut gerüstet, um sich zu verteidigen: Neben drei Schusswaffen und zweierlei Wurfobjekten, die maximal getragen werden können, ist die Taschenlampe der wichtigste Teil der Ausrüstung. Sämtliche Schattenwesen sind gegen Projektilwaffen imun, bis Sie durch den Schein der Lampe ausreichend geschwächt wurden. So muss man sich vor Angriffen ducken, die Gegner mit Licht in Schach halten und mit gezielten Schüssen entgültig eliminieren.

Hin und wieder begegnet man auch einem Bossgegner, der allerdings ausschließlich mit Beharrlichkeit und wenig Taktik besiegt wird. Alles in allem beschränkt sich das Gameplay auf das Laufen durch die Nacht, während man sich gegen unterschiedlich große Gegnerhorden kämpfen muss. Die Gegnerklassen wiederholen sich leider schon sehr schnell und verlieren auch schnell an Gruselfaktor, da man sich einfach nicht mehr erschreckt, wenn die Dunkelheit Gestalt annimmt. Es ist ebenfalls schade, dass man fast die gesamte erste Spielhälfte im ewig gleichen dunklen Wald herumtappt. Die Atmosphäre ist natürlich einmalig und jeder, der schon einmal im Dunkeln durch einen Wald gelaufen ist, kennt dieses Gefühl, dass man sich irgendwie beobachtet fühlt, aber nach einer Zeit gewöhnt man sich dran und läuft einfach weiter. Dieses Gefühl der Gleichgültigkeit stellt sich dann auch mit Alan Wake ein. Im späteren Verlauf werden die Gebiete zwar abwechslungsreicher, indem man durch eine Ortschaft, ein großes Gebäude oder über eine Farm läuft, aber die Atmosphäre wird nie wieder so intensiv, wie in der ersten Spielstunde.

Großes Kino

Im Großen und Ganzen ist Alan Wake also ein Survival Game, das mit seiner allgemeinen, düsteren Atmosphäre und einer schönen Landschaftsgrafik punktet, ohne dabei wirklich gruselig zu werden. Genrefans kommen auf ihre Kosten, haben aber immer das Gefühl alles schon mal gesehen zu haben. Gerade die Reihe Alone in the Dark hat schon vor vielen Jahren gezeigt, wie es beim Kampf gegen lichtscheue Wesen zugeht, wobei dort der Rätselanteil wesentlich höher war. Bei Alan Wake bewegt man sich von Checkpoint zu Checkpoint, aktiviert ein paar Schalter und erspielt sich die nächste großartige Zwischensequenz. Denn das ist es, was Alan Wake trotz aller Kritik zu einem tollen Erlebnis macht. Die Geschichte bietet genug Stoff für einen Kino-Blockbuster und die Inszenierung sämtlicher Cutscenes erinnert mehr an einen Film als an ein Videospiel. Dieses Gefühl wird durch die Kapitelaufgliederung verstärkt, die den Spieler immer wieder in eine Art TV-Serie versetzt: Man bekommt einen Cliffhanger vorgesetzt, das Logo fliegt herein und man hört Abspannmusik. Das nächste Kapitel beginnt mit einer kurzen Zusammenfassung der Ereignisse und schon ist man wieder mitten in der Handlung. Zugegeben, es ist ein recht billiger Trick um Spannung zu erzeugen, aber er funktioniert 😉 Überraschenderweise ist auch die deutsche Synchronisation richtig gut geworden. Ich habe mich zwar anfangs geärgert, dass ich bei meiner deutschen Version keine englische Sprache einstellen konnte, war dann aber freudig überrascht, mit wieviel Elan die durchweg professionellen Sprecher gearbeitet haben. Das noch immer weit verbreitete „Overacting“ bei diversen Lokalisierungen kam hier gar nicht vor. Mein persönliches Highlight waren die vielen kleinen Hommagen an Genreklassiker. Die berühmte Shining-Szene „Heeeeere’s Johnny“, die Log-Lady aus Twin Peaks und sogar Officer Mosley aus Gabriel Knight wurden an geeigneter Stelle gewürdigt.

Alles in allem ist Alan Wake ein Spiel für Leute, die sich lieber einer spannenden Geschichte hingeben, als action- und abwechslungsreiches Gameplay zu erleben. Die reichlich vorhanden Survivalabschnitte lassen sich zwar flüssig spielen und Frust kommt eigentlich nie auf, was auch an den reichlichen Rücksetzpunkten liegt, aber etwas mehr Abwechslung hätte man durchaus einbringen können. Da aber die Story durchaus Neues bietet, sofern man die anfangs genannten Filme nicht zu genau kennt, ist dieser Titel ein Muss für alle Mystery-Fans. Ich verstehe nur nicht, warum man ein solches Spiel mit einer uninspirierten Sammelaufgabe beladen muss. Die in der gesamten Spielwelt verteilten Thermoskannen tragen so gar nichts zur Geschichte bei und es wird nicht einmal erwähnt, warum Alan so wild auf diese blauen Dinger ist, aber sobald eine zu sehen ist, wird sie eingesammelt. Sowas fällt dann wieder unter die „Wir müssen noch ein paar Trophäen einbauen“ Einfallslosigkeit der Entwickler. Achievement-Jäger dürften darauf abfahren, aber ich persönlich kann auf solche Pseudo-Aufgaben gut verzichten.


Lokalisiert von Hashi. Ein Mitglied der Mediengeneration.