Ich beobachte schon seit längerem, wie sich die Erwartungshaltung an Games ändert. Die Mehrheit der echten Mainstream-Kassenschlager der letzten Zeit stehen auf drei maßgeblichen Säulen: Sie blenden mit Grafikpower, sind leicht erlernbar und im Singleplayer-Modus in kurzer Zeit durchgespielt. Ich habe ein paar Spieler befragt, welche Spiele sie in jüngster Zeit durchgespielt haben und wie lange sie dafür gebraucht haben. Dabei kam heraus, dass man für das erste Durchspielen von Uncharted 3 durchschnittlich 8 Stunden benötigt, Battlefield 3 gerade mal 7 Stunden und auch ein durchschnittlicheres Spiel wie Rage kommt immerhin noch auf knappe 12 Stunden. Zugegeben, ein Titel wie Battlefield 3 ist auf Multiplayer ausgelegt und kommt damit auf ein Vielfaches der Spielzeit, die der Einzelspieler erlebt, aber ein storybasiertes Spiel wie Uncharted 3 bietet nach dem ersten Singleplayer nur Trophäenjägern und Sammelspezialisten noch einen Anreiz. Der integrierte Multiplayer ist zwar ganz nett, aber bei einer Konkurrenz, die auf MP ausgelegt ist, wird dieser Modus die Spielmotivation nicht nachhaltig verlängern. Blendet man aber die Mehrspieler-Modi aus, bleibt unter’m Strich, dass der Durchschnittsgamer Spiele will, die gut aussehen und maximal 10 Stunden für’s Durchspielen aufhalten. Ist damit die Wandlung des „Pawlowchen Spielers“ (vgl. Pawlowscher Hund) abgeschlossen?
Evolution oder Lernprozess?
Als God of War 2006 in Deutschland erschien, haben sich noch viele Leute über die kurze Spielzeit aufgeregt. Heute sagt die Mehrheit sie hätte lieber ein kurzes, aber auch kurzweiliges Spiel, als ein „künstlich gestrecktes“ Spiel, was nach einer gewissen Zeit langweilig wird. Spricht da die Erfahrung oder ein verändertes Klientel? „Früher war alles besser“ werden jetzt die Altvorderen und Nostalgiker sagen, aber wenn man ehrlich ist, waren Spiele früher auch nicht wesentlich umfangreicher. Sie waren schlichtweg schwerer und technikbedingt mit wenig Speicherkomfort ausgestattet. Ein Spiel war nach zu vielen Bildschirmtoden zu Ende und ein Neustart war unausweichlich. Das würde heute wahrscheinlich kein Mensch mehr mitmachen. Auf der anderen Seite gab es aber auch größere Herausforderungen. Wer sich noch an die kantigen Kurven der ersten Lara Croft erinnert, weiß möglicherweise auch noch wie schwer das erste Tomb Raider war, wie oft man gestorben ist und wie verzweifelt man an vielen Stellen den letzten Schalter, den einen Vorsprung oder generell den Weg zum nächsten Abschnitt gesucht hat. Oft half nur auschalten, eine Nacht drüber schlafen und am nächsten Tag weitermachen. In der Zeit ohne Internet gab es eben keine Walkthroughs und wenn die Freunde gerade was anderes spielten gab es auch keine Tipps von Dritten. Heute sucht man sich spätestens nach 15 Minuten des „Nichtweiterkommens“ online Hilfe, während man sich einredet man würde früher oder später ja doch drauf kommen und nachlesen ist kein cheaten.
Aber waren die Spiele damals langweiliger als heute? Ich denke nicht, denn wären sie es gewesen hätte sich dieser Wirtschaftszweig nicht dahin entwickeln können, wo er heute steht. Was ist also passiert? Machen die Entwickler die Spiele immer kürzer und leichter, damit man mehr konsumieren kann, sind die Spiele heute so eingängig, damit man auch Vati noch locker bei der Stange bleibt oder hat uns die Industrie nach und nach so erzogen, wie sie es gerne hätte? Wenn wir ehrlich zu uns sind, haben wir uns in jedem Fall zu einem leichten Publikum entwickelt. Lange Spiele werden von weniger als der Hälfte aller Käufer überhaupt durchgespielt. Der Mainstreamer ist mit kurzen Effektgewittern zum Vollpreis rundum zufrieden und auch wenn sich der eine oder andere hier nicht als solcher sieht, wird er zugeben müssen, dass auch er irgendwelche Blockbuster im Regal stehen hat.
Bekommen wir was wir wollen oder bekommen wir was wir verdienen? Ich weiß es wirklich nicht und je länger ich darüber nachdenke und diesen Wust niederschreibe, desto mehr drehe ich mich im Kreis. Vielleicht tröste ich mich, indem ich mir einrede, dass es gar nicht so schlimm ist. Es gibt schließlich auch noch Spiele mit epischen Ausmaßen und was würde ich ohne meine JRPGs machen? Sie werden zwar zusehendst zum Nischenprodukt und biedern sich immer mehr westlichen Spielkonzepten an, aber solange ich Spiele wie Xenoblade Chronicles habe, die mich mehr als 100 Stunden an eine Geschichte fesseln, ist die Spiele(r)welt nicht ganz am Abgrund.
GenesisAUT sagt:
7. November 2011
Sehr interessanter Beitrag muss ich sagen und ich glaube du hast recht. Mir geht es leider auf serh oft so, dass ich mir denke: Wann ist das Spiel denn endlich vorbei damit ich das nächste anfangen kann? Das ist eigentlich traurig, denn früher habe ich oft Monate mit dem selben Spiel verbracht und es immer wieder durch gespielt. Ich glaube auch, dass der Markt schon mehr als gesättigt von guten Spielen ist. Habe ich vor einigen Jahren noch versucht jedes sehr gute Spiel durch zu zocken, stellt sich das in den letzten Jahren als unlösbar heraus. Deshalb versuche ich wirklich nur jene Spiele zu kaufen die mich wirklich begeistern können. Zum Glück gibt es ja immer noch solche Titel wie das von dir erwähnte Xenoblade Chronicles. Auch wenn ich es leider noch nicht gespielt habe. Final Fantasy XIII war zwar nicht mehr so fesselnd wie die älteren Teile, aber dennoch habe ich 100 Stunden mit dem Titel verbracht. Über ein Jahr hinweg. Auch in meinem Freundeskreis sehe ich leider häufig, dass manche sogar die Zwischensequenzen überspringen nur um schneller durch zu sein. Dazu werden Spiele nicht gemacht. Oder dazu sollten sie zumindest nicht gemacht werden finde ich. Ein positives Beispiel ist Monster Hunter. Ich zocke es bereits über 1 1/2 Jahre zusammen mit meinen Freunden und dabei haben sich über 400 Stunden Spielzeit angesammelt. Derzeit bin ich gefesselt von Batman: Arkham City. Ein grandioses Spiel das auch vom Umfang her einiges zu bieten hat. Ich hoffe, dass ich es wieder schaffe die alte Mentalität auf zu schnappen. Dafür muss ich zwar ziemlich wahrscheinlich auf viele blockbuster verzichten, dafür habe ich aber länger Freude an guten Videospielen.
-Genesis