Eigentlich gehört dieses Spiel noch nicht in diese Kategorie, da es für die noch aktuelle Konsolengeneration Xbox 360 und PS3 erschienen ist. Da ich aber noch immer mit Mass Effect 3 beschäftigt bin und ich langsam ein schlechtes Gewissen bekomme, habe ich mal in meinem redaktionellen Archiv gewühlt und dieses Rezension von 2007 herausgezogen. Sie bezieht sich auf die damals noch exklusive Version für die 360, hat aber ansonsten noch 100% Bestand.
DER Chopin? WTF!
Der berühmte Komponist Chopin liegt von Arzt und Angehörigen umgeben auf seinem Sterbebett. Der letzte Anfall ist abgeebbt und sein ruhiges Atmen lässt auf einen tiefen Schlaf und einen schönen Traum hindeuten. Während die Anwesenden den baldigen Tod befürchten, taucht Chopins Bewusstsein in eine Welt ab, die er anfangs als Produkt seiner Fantasie deutet, sich aber bald als weitaus realer herausstellt, als er vermuten könnte. Er trifft das Mädchen Polka, die gerade auf dem Weg zu ihrem Landsherrn ist, um sich über die herrschenden, schlechten Lebensbedingungen zu beschweren. Ihre unheilbare Krankheit, die sie zwar mit magischen Kräften versieht, aber auch ihren sicheren Tod bedeutet, verbindet sie mit Chopin, und beide beschließen die Reise gemeinsam anzutreten. Sie ahnen nicht, dass sie schon bald Spielball eines skrupellosen, mit Kriegsvorbereitungen und Intrigen beschäftigen Despoten sein werden und ihr Weg durch viele Kämpfe an der Seite neuer Freunde geprägt sein wird.
Rundenbasierte Echtzeitkämpfe
Abseits dieser Geschichte gibt es für den Spieler einiges zu tun. Man übernimmt die Kontrolle über die anfänglich kleine Gruppe und steuert sie traditionell durch Städte, Landschaften und Dungeons. Während den Städten Handel, Ruhepausen und Konversation vorbehalten sind, findet außerhalb der Siedlungen der Kampf mit verschiedenen Monstern und menschlichen Gegnern statt. Dabei hat man die Möglichkeit den stets sichtbaren Monstern und Bösewichtern aus dem Weg zu gehen oder sie bewusst anzusteuern. Die eigene Position zum Gegner entscheidet dabei über die taktische Ausgangslage. Fällt man dem Ahnungslosen in den Rücken, kann man entscheidende Treffer landen, bevor es zu einem Gegenmanöver kommt, steht aber selber schutzlos da, sollte jemand von hinten in die Gruppe hineinstürmen. Bei einer Frontalauseinandersetzung kommt es zum chancengleichen Schlagabtausch. Die nun folgende Auseinandersetzung findet als rundenbasierter Echtzeitkampf in einer eigenen Arenenansicht statt – als besonderes Feature können bis zu drei Spieler mit ihren Pads am Kampf teilnehmen und je einen der Kämpfer steuern. Jeder Akteur, egal ob alleine oder mit Freunden, hat reihum eine gewisse Zeitspanne, um seine Aktionen zu platzieren, während der Rest zur Passivität verdonnert ist. Wie von JRPGs gewohnt kann man während dieser Aktionszeit Items verwenden, laufen, aus der Ferne angreifen, direkt auf den Gegner einschlagen oder Zauber sowie Spezialattacken wirken. Diese individuellen Fähigkeiten sind jederzeit unbegrenzt einsetzbar, da Eternal Sonata auf den Einsatz eines Magiepunkte-Systems verzichtet. Damit aber der Kampf nicht ausschließlich aus diesen Moves besteht, ist die Stärke durch Aktionspunkte limitiert. Die Punkte werden während des Kampfes durch Einzeltreffer gesammelt und verbrauchen sich beim Einsatz gänzlich, um anschließend durch weitere Treffer wieder angehäuft zu werden. Darüber hinaus sind Fähigkeiten an Licht und Schatten gebunden. Steht der Kämpfer in der Sonne oder im Schein einer Fackel stehen ausschließlich die Lichtfähigkeiten zur Verfügung. Befindet er sich dagegen im Dunkeln oder im Schatten eines Objekts können nur die Schattenfähigkeiten ausgespielt werden. So kompliziert dieses System jetzt auch klingt, so intuitiv setzt man es schon nach wenigen Kampfrunden ein. Des Weiteren entwickelt sich das Kampfsystem im weiteren Spielverlauf in Form von steigenden Gruppenlevels weiter. Hat man auf Level 1 noch 5 Sekunden Bedenkzeit und eine Aktionszeit, die sich nur durch die Nettozeit der Bewegungen reduziert, bekommt man bei höheren Levels immer weniger Zeit zugestanden, erhält dafür aber Boni, wie die Chance auf Abwehr und Gegenangriff oder beweglichere Charaktere. Der Kampfscreen bietet so auch in den letzten Spielstunden immer wieder neue Optionen und erhält sich auf diese Weise eine gewisse Dynamik.
Für individuelle Einstellungen und ergänzende Ausrüstungen steht die übersichtliche Charakterverwaltung zur Verfügung. Hier gewinnt man den Überblick über gesammelte Heilpulver, Zustand verändernde Gegenstände, Waffen, Kleidung und natürlich über die einzelnen Gruppenmitglieder. Jeder Figur steht Platz für jeweils eine anlegbare Waffe, ein Kleidungsstück, zwei Talismane und anfangs je eine Spezialattacke für Licht und Schatten zur Verfügung. Die Verwaltung geht wie das Kampfsystem locker aus dem Handgelenk, ist sehr einsteigerfreundlich und verlangt keinen Blick in das Handbuch.
Bunte Welt und viel Musik
Da Chopin die eigentliche Hauptfigur von „Eternal Sonata“ ist, zieht sich das Thema Musik wie ein roter Faden durch das Spiel. Man trifft auf Charaktere namens Beat, Crescendo oder Salsa, betritt eine Stadt namens Barock oder überquert den Fluss Medley. Da liegt es nahe auch eine spielumspannende Quest abseits der Handlung zu verfolgen, die in der Suche nach Partituren besteht. Mit dem wachsenden Archiv kann man kleine Jam-Sessions mit verschiedenen Passanten einlegen. Dabei gilt es zum Stück des Partners die passende Partitur erklingen zu lassen. Bei perfekter Harmonie erhält man einen entsprechend seltenen oder nützlichen Gegenstand, für gute und halbwegs befriedigende Stücke gibt es immerhin noch kleine Belohnungen, während offensichtliche Katzenmusik nur mit Häme gestraft wird. Um den (musikalischen Halb)Kreis zu schließen werden vereinzelte Kapitelabschnitte mit einem Klavierstück aus Chopins Feder verbunden, welches zur bisherigen Geschichte oder auf die folgenden Ereignisse passt. Zur Musik erfährt man durch Texteinblendung biografische Eckdaten Chopins, die für die Entstehung des jeweiligen Stücks prägend waren. Diese Zäsuren liefern keine spielrelevanten Informationen und können auch jederzeit abgebrochen werden, aber die Brücke zwischen dem fiktiven und dem realen Chopin unterstreicht die Tatsache, dass man sich nach wie vor im letzten Traum des Künstlers befindet, der in einer anderen Welt im Sterben liegt.
Egal, ob in dieser oder in jener Welt: „Eternal Sonata“ ist farbenfroh, detailverliebt und optisch abwechslungsreich. Mit einer Mischung aus Polygonmodellen und Cellshading, die vor allem bei den Charakteren für Plastizität sorgt, präsentiert man eine dreidimensionale Welt, die man so noch nicht live berechnet in einem Rollenspiel gesehen hat. Fotorealismus sucht man zwar vergebens, doch da sich die einzelnen Elemente so harmonisch zusammenfügen, vermisst man ihn auch nicht. So ist es auch zu verschmerzen, dass den Charakteren keine optischen Veränderungen bei neuen Ausrüstungsgegenständen gegönnt werden. Bei aller Schönheit werden allerdings auch massive Grenzen gesetzt. Auf der Oberwelt stößt man immer wieder auf unsichtbare Barrieren, die auch im weiteren Spielverlauf nicht aufgehoben werden. Trotz der enormen Weitsicht, die sich in erster Linie auf den Ebenen bietet, kann man die meisten sichtbaren Areale nicht betreten. Die Storyline wird mit ausgiebigen Cutscenes erzählt, ohne auf vorgerenderte Sequenzen zurückgreifen zu müssen. Diese können zwar auch mal so lange dauern, dass sich der Wireless Controller abschaltet, sind weitestgehend unspektakulär, werden dabei aber auch nie langweilig. Die Geschichte plätschert vor sich hin, baut eine schöne Beziehung zwischen Spieler und Figuren auf, hat die ein oder andere lustige Einlage parat und entwickelt sich auch kontinuierlich weiter, aber es kommt nie zu einem richtigen Höhepunkt. Die Antriebsfeder „Eternal Sonata“ weiterzuspielen besteht in den liebenswerten Charakteren, deren Beziehung zueinander wichtiger als die eigentliche Handlung ist.
Wie nicht anders zu erwarten steht die Klangwelt eines von Musik dominierten Spiels der Grafik in nichts nach. Musikalisch gibt es natürlich klassische, von Klavier und Violine bestimmte Töne, die in „ohrwurmige“ orchestrale Stücke gipfeln. Einige Themen sind direkt von Chopins Originalen inspiriert, aber auch die neu komponierte Musik passt immer zur jeweiligen Situation: Ein Fagott wabert bedrohlich, während man durch eine vor Hitze flimmernden Lavahöhle läuft, verspielte Flöten und Violinen untermalen den friedlichen Wald und auf See ertönt ein Schifferklavier. Hier zeichnet Motoi Sakuraba verantwortlich, der auch die Musik für „Baten Kaitos”, “Star Ocean” und “Tales of Symphonia” komponierte. Dieser Klangteppich wird durch gut dosierte Umgebungs- und Kampfgeräusche ergänzt. In gut abgemischtem Digitalsound ertönt noch von links der Freudenruf eines Kämpfers, während ihr mit dem nächsten bereits das Breitschwert auf dem Gegner klirren lasst. Im Wald ertönt hinter euch ein singender Vogel, während es irgendwo vor euch im Unterholz raschelt. In eine solche Atmosphäre taucht man gerne ein. Bei der Synchronisation stehen das japanische Original und die internationale, englische Variante zur Auswahl. Da in beiden Fällen sehr gute, deutsche Untertitel aktiviert werden können, sollte man sich für die japanische Variante entscheiden. Die Sprecher legen eine größere Begeisterung in die Charaktere, die letztlich auch besser zum Setting passt.
Kaufempfehlung
Mit „Eternal Sonata“ liefert NAMCO BANDAI ein sehr schönes Rollenspiel ab, das vor allem mit seinem harmonischen Setting punkten kann. Der Mix aus Echtzeit und rundenbasiertem Kampf ist gut gelungen, auch wenn er durch seine Einsteigerfreundlichkeit etwas Tiefe vermissen lässt. Ein weiteres Manko für Genrefans ist die streng lineare Story. Es gibt keine nennenswerten Sidesquests und eine Spielzeit von ca. 30 Stunden inklusiver aller Cutscenes fällt verhältnismäßig mager aus. Es gibt zwar kurz vor Ende des Spiels ein Dungeon, an dem nicht nur das „gute Ende“ hängt und das weitere Stunden auf die Spielzeit packt, aber dieses kann zum einen leicht verpasst werden und ist zum anderen nichts anderes als ein langer Schlauch über unzählige Ebenen, in denen man starke Gegner ausräumen muss. Den Vergleich mit den Großen des Genres muss man dennoch nicht scheuen. Die Charaktere sind liebenswert, die Geschichte ist schlicht, aber trotzdem gut genug, um den Spieler bei der Stange zu halten, während die Atmosphäre einfach traumhaft ist. Auch wenn es Chopins Traum nicht zum absoluten Toptitel geschafft hat, erteile ich eine absolute Kaufempfehlung an alle, die endlich mal wieder ein schönes RPG spielen wollen oder die sich bislang nicht an dieses Genre herangewagt haben. Einlegen, einschalten und genießen.
Genesis sagt:
26. März 2012
Wow. Jetzt hast du mich aber neugierig gemacht. Ich bin ja sowohl ein riesiger Rollenspiel, als auch Animefan. Mag jedoch keine klischeeüberladenen Stories und Charaktere. Deshalb hat mich das Design zuerst abgeschreckt. Aber wie du das jetzt so beschreibst klingt das Spiel wirklich äußerst interessant. Vielleicht halte ich mal Ausschau danach. Auf jeden Fall Danke, dass du das gepostet hast. Also brauchst du auch kein schelchtes Gewissen haben ;D
PS: Sitze im Moment auch an Mass Effect 2 ;D
spontanadmin sagt:
26. März 2012
Du hast keine XBox, oder? Die PS3-Version wurde nämlich erst später nachgeschoben und man hat wohl an verschiedenen Stellen etwas geändert. Ich glaube einmal gelesen zu haben, dass das Spiel dadurch etwas gelitten hat. Ich verbürge mich für die Microsoft-Version, aber bei der Version für PS3 würde ich zumindest mal einen Vergleichstest suchen.
Rein vom Setting und auch vom optischen Stil ist Eternal Sonata auf jeden Fall erfrischend anders bzw. typisch tri-Crescendo, auch wenn die Geschichte keine Höhepunkte hat.
Genesis sagt:
27. März 2012
Nee hab leider keine Box. Ja das stimmt. Deshalb hab ich den Titel ja oft komplett übersehen, aber danke für den Tipp ;D