Sep 8

9/11 – Die verbannten Songs


Kommentare sind ausdrücklich erwünscht!

Da sich jetzt der Anschlag auf die Twin Towers zum zehnten mal jährt und man medial geradezu erschlagen wird, muss ich heute auch mal einen kleinen Beitrag zu diesem Thema leisten. Inspiriert durch einen Radiobeitrag habe ich mir mal angeschaut, welche Songs nach dem elften September im amerikanischen Radio nicht mehr gespielt werden durften. Ja, in den USA wurde das Radio von 165 Liedern befreit, die nach den Anschlägen als emotional aufwühlend oder schlicht unamerikanisch eingestuft wurden. Diese „inoffizielle“ Liste nennt sich 2001 Clear Channel Memorandum und dafür, dass sie laut der „Clear Channel Corporation“, das weltweit größte Radionetzwerk, nicht existiert, haben sich sehr viele – um nicht zu sagen alle – Radiosender daran gehalten. Bei einigen Liedern kann ich eine gewisse gefühlte Pietätslosigkeit nachvollziehen, aber einige Verbote wirken heute doch eher unfreiwillig komisch und beweisen die nationale Hysterie, die die USA fest im Griff hatte.

Die Pietätslosen

In dieser ersten Kategorie stufe ich die Lieder ein, die inhaltlich rein gar nichts mit Krieg, Terror oder ähnlichem zu tun haben, aber wegen ihres Titels bzw. des Refrains anstößig waren und so auf diese ominöse Liste geraten sind. Gibt es eine andere Erklärung, warum Smooth Criminal nicht mehr gespielt werden durfte? Der „geschmeidige Kriminelle“ kann für sich alleine natürlich als Synonym für einen der Terroristen stehen, der unerkannt an Bord gelangte, aber im Song geht es dann doch nur um einen Einbrecher, der die arme Annie niederschlägt. Weitere Beispiele wären Hit Me With Your Best Shot von Pat Benatar, Jump von Van Halen oder Learn To Fly von den Foo Fighters. Den jeweiligen Zusammenhang kann sich wohl jeder selber zusammenreimen.

Die Unpatriotischen

Erstaunlicherweise hat es hier Songs getroffen, die im Allgemeinen als Hymnen für den Frieden gelten oder einfach als Anti-Kriegs-Songs berühmt geworden sind. Das Bekannteste ist ganz sicher „Blowin‘ In The Wind“ von Bob Dylan. Der meist gecoverte Song der Musikgeschichte wurde in seiner verbreitetsten Interpretation von „Peter, Paul and Mary“ auf die schwarze Liste gesetzt. Erstaunlicherweise gehörte dieser Song aber auch zu den Liedern, die immer wieder bei national ausgestrahlten Gedenkfeiern gespielt wurden – TV wirkt eben anders als Radio. Aber auch Imagine von John Lennon – die Friedenshymne schlechthin – kam auf den Index. Es galt offensichtlich als unpatriotisch von einer Welt ohne Nationen, ohne Religionen und ohne Besitztümer zu träumen. Auch Hey Joe von Jimmy Hendrix, einer der bekanntesten Anti-Vietnam-Songs, wurde vom Radiobann getroffen. Wollte man die Amerikaner lieber in Kampfesstimmung bringen, anstatt sie über Utopien und Kriegskritik zum Denken und Reflektieren zu motivieren?

Die Interpretationsfähigen

Hier wird’s wirklich unfreiwillig lustig. Manche Lieder haben es offensichtlich auf die Liste geschafft, weil zumindest einzelne Verfasser wirklich paranoisch geworden sind. Überlegen wir mal, warum der fröhliche Klassiker Ob-La-Di, Ob-La-Da der Beatles nicht mehr gesendet werden durfte. 3-2-1, die Zeit ist um. Der angebliche Grund war die mögliche Assoziation mit Osama bin Laden. Häh? Jepp, man war der Meinnung, man könne aus den zwei Fantasiewörtern über Silben und Initialen den Namen des Terrorkopfes bilden oder zumindest ahnen. Dazu muss man eigentlich weiter nichts mehr sagen. Walk Like An Egyptian von den Bangles und Rock The Casbah hat es in dieser Kategorie gleich mit erwischt. Lieder, die muslimische Orte oder Nationen besingen oder nur erwähnen, waren raus.

Ich will die Anschläge wirklich nicht runterspielen und mir ist auch klar, dass eine Nation in einer solchen Situation, gerade die USA, zwangsläufig überreagiert, aber dieses 2001 Clear Channel Memorandum zeigt, dass viele Aktionen und Reaktionen durchaus einer Paranoia und auch Machtlosigkeit geschuldet sind. Ich bin mir aber auch sicher, dass die meisten Sender zumindest Titel wie Stairway To Heaven, Highway To Hell und Great Balls Of Fire ohnehin bis auf weiteres nicht gespielt hätten. Schließlich wurde auch in Deutschland nach dem großen Tsunami in Thailand Die perfekte Welle aus dem Programm genommen. Ob das sinnvoll war oder nicht, will ich hier gar nicht beurteilen. Es ist eben keine Wonderful World, was übrigens auch auf dem Index landete.


3 Kommentare zu “9/11 – Die verbannten Songs”


  1. leocat/Kathrin
    sagt:

    Ich hab gerade mit mir selbst gewettet, dass „Fire and Rain“ von James Taylor auch auf der Liste stand – nachgeschaut und BINGO! „Sweet dreams and flying machines in pieces on the ground“ war wohl doch zu eindeutig.


  2. GenesisAUT
    sagt:

    Schöner Beitrag, der einen zum Nachdenken bringt. Teilweise kann ich aber auch nicht genau nachvollziehen, welchen verwirrten Geistern mache Indizierungen entsprungen sein könnten. Man sollte die Ereignisse von 2001 wie du schon gesagt hast auf keinen Fall runterspielen, doch manche Dinge entziehen sich jeglicher Logik…

    Ein Kumpel von mir hat übrigens am 11. September Geburtstag xD


  3. alles-mit-links
    sagt:

    165 Lieder – Das ist heftig. Sicher, die Anschläge waren auch heftig, aber da kann doch ein Lied nichts dafür. Und das in dem Land, dass die Freiheit so hochhält.

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