Okt 17

Snatcher von Hideo Kojima – Spiele ohne Verfallsdatum


Kommentare sind ausdrücklich erwünscht!

Im Twitterprofil von Hideo Kojima sagt der Spieldesigner über sich sein Körper wäre zu 70% aus Filmen gemacht. Wer seine Spiele gespielt hat hinterfragt diese Aussage keine Sekunde lang, denn ausufernde Gespräche über Godzilla zwischen Mei Ling und Snake in Metal Gear Solid, das James Bond Intro von MGS3 – Snake Eater und unzählige offensichtliche und versteckte Kreuzverweise auf diverse Filmklassiker sind unumstößlich feste Bestandteile eines „echten Kojimas“. Das Spiel Snatcher, welches unter anderem für Segas Mega-CD erschien, ist da keine Ausnahme, ist es doch über weite Teile schon fast eine Hommage an den Cyberpunk-Meilenstein Blade Runner. So ganz nebenbei ist Snatcher auch eines meiner ewigen Lieblingsspiele.

Liebeserklärung an Cyberpunk

Die Parallelen zu Blade Runner werden schon während des Vorspanns deutlich. Eine futuristische Skyline, umhergleitende Fahrzeuge und verschiedenste Charaktere sind zu sehen und wir erfahren, um was es in diesem Spiel eigentlich geht. In der Mitte des 21sten Jahrhundert existiert eine neue Bedrohung für die Gesellschaft: Androiden, sogenannte Snatcher, töten Menschen und nehmen unerkannt deren Stelle ein. Niemand kennt ihren Ursprung, geschweige denn das Ziel der Snatcher, aber man ist sich sicher diese Bedrohung bekämpfen zu müssen. Zu diesem Zweck wurde die Special Force J.U.N.K.E.R. etabliert, die ausschließlich für das Jagen und Eleminieren von Snatchern zuständig ist. Das jüngste Mitglied auf der Position des Runners (!) dieser Einheit ist Gillian Seed, der gemeinsam mit seiner Ex-Ehefrau Jaimie unter mysteriösen Umständen aufgefunden wurde. Beide leiden unter Amnesie und können sich an nichts erinnern, was vor ihrem Auffinden geschah. Das Spiel beginnt an Gillians erstem Tag in den Junker-Headquarters.

Diese ersten Minuten laufen zwar in animierten Bitmap-Grafiken ab, sind aber durch den Ton und die Musik direkt von CD schon so packend, dass man sofort in die Welt von Snatcher hineingezogen wird. Der Umstand, dass diese Minuten zwei Science Fiction Klassiker – Blade Runner und The Body Snatchers – miteinander vermischen und dass einer der ältesten Kniffe der Unterhaltungsindustrie dem Protagonisten das Gedächnis zu nehmen verwendet wird, stört dabei keine Sekunde.


Intro von „Snatcher“

Grafic Novel oder Game?

Snatcher spielt sich fast wie ein Point & Click. Als „Runner“ ist man die meiste Zeit damit beschäftigt verschiedene Orte aufzusuchen, diese zu untersuchen und mit dort anwesenden Personen zu sprechen. Befehle wie „Look“, „Investigate“, „Take“ oder „Use“ sind allgegenwärtig und dürften jedem älteren Spieler bekannt sein. Dabei unterscheidet sich Snatcher allerdings von anderen P&Cs hauptsächlich im Ablauf der Geschichte. Stolpert man durch andere Adventures, indem man 100 Mal zwischen wenigen Orten pendelt um ständig neue Kombinationen mit Gegenständen auszuprobieren, bleibt Snatcher weitestgehend linear. Man sucht zwar auch immer wieder nach bestimmten Schlüsselelementen, wird aber unmittelbar mit einer dadurch getriggerten neuen Szene, die die Story vorantreibt, belohnt. So entsteht eine homogene Mischung aus Spiel und Grafic Novel, die dem Spieler den Controller quasi an die Hand tackert. Man will einfach ständig wissen wie es weitergeht und genießt währenddessen die Show.

Es wäre kein „Hideo Kojima“, wenn es neben der Ehrerbietung gegenüber diverser Klassiker keine Querverweise auf eigene Werke vorhanden wären. So hat Gillian einen mechanischen Sidekick namens Metal Gear Mk. II, der dem großen Mech und Gegner von Snake sehr ähnlich sieht, aber nur 40 cm groß ist. Der Mechaniker, der Metal Gear gebaut hat, erklärt das Design und den Namen mit seiner Liebe zu einem der größten Spiele seiner Kindheit. Dieser kleine Roboter ist dann auch für viele lustige Dialoge und spitze Bemerkungen verantwortlich, die das oberste Sahnehäubchen des Spiels darstellen.

Hideo Kojima

Hideo Kojima auf der gamescom 2009

Alt, aber oho

Snatcher ist alt, keine Frage. Zumindest die Mega-CD Version stammt aus der Zeit, in der 16-Bit Grafiken von Polygonen abgelöst wurden und Systeme wie Playstation oder Saturn das nächste Zeitalter des Videospiels einläuteten. Nichts desto trotz sorgen viele Details dafür, dass das Spiel nicht veraltet wirkt. Alle Schlüsselsequenzen entsprechen dem grafischen Stil des eigentlichen Spiels, werden aber komplett von CD inklusive Sprachausgabe untermalt. Die Standbilder und spärlich animierten Szenen fallen dadurch kaum negativ auf. Und reicht die Technik einfach nicht mehr aus, wird der Spieler einfach aktiv mit ins Boot geholt. Das beste Beispiel dafür ist eine meiner Lieblingsszenen im ganzen Spiel (Achtung: Spoiler und ggfs. Absatz überspringen!):

In einer frühen Szene untersucht man eine verlassene Fabrik und findet den zerstörten Sidekick eines vermissten Runners. Metal Gear glaubt etwas zu hören, aber da Gillian nichts hört schlägt er vor den Fernseher (!) lauter zu machen. Dreht man nun als Spieler die Lautstärke hoch, nimmt man tatsächlich ein leises Piepen war. Es folgen ein paar Fetzen Dialog und plötzlich stellt man fest, dass das Piepen allmählich lauter wird. Man nimmt die Beine in die Hand, es macht Booom! und da man natürlich die Lautstärke nicht wieder heruntergedreht hat, wackelt die eigene Bude. Der folgende Dialog bringt es dann auch auf den Punkt:
Gillian: Man, my ears are really ringing!
Metal Gear: That’s because you left the Volume turned up.

Pflichtkauf

Das Mega-CD war nicht gerade der große Wurf für SEGA und die wenigen Spiele für dieses System sind in der Regel auch nicht weiter der Rede wert. Ausnahmen wie Dune oder eben Snatcher sollte aber jeder Gamer, der an alten Perlen interessiert ist, sein eigen nennen. Von der Geschichte her dürfte Snatcher das beste sein, was Kojima jemals digitalisiert hat. Umso verwunderlicher ist, dass es scheinbar keinerlei Pläne gibt dieses Spiel in die aktuelle Generation zu katapultieren. Es wäre sicher eine Herausfoderungen aus diesem Spielkonzept etwas zu kreieren, was auf dem heutigen Spielemarkt bestehen könnte, aber wenn Hideo Kojima die Sache anpacken würde, könnte eigentlich nichts daneben gehen.


3 Kommentare zu “Snatcher von Hideo Kojima – Spiele ohne Verfallsdatum”


  1. Spiritogre
    sagt:

    Viele Spiele mit Cyberpunk Setting gibt es nun wirklich nicht. Ich wünschte, ich hätte ein Sega CD. Snatcher steht auf meiner Pflichtkauf-Liste, seit ich den Importtest in der Video Games (Gott habe sie seelig) gelesen habe. Aber auch Policenauts (trotz heute grottiger Steuerung, weil es nicht mal Hotspots gibt) gehört definitiv in jede Sammlung. Nur denke ich, sind beide Kojima Titel hier recht schwer zu bekommen (jedenfalls nicht günstig). Und bei Policenauts braucht man dann eh einen gemoddeten Saturn, um das Spiel auf englisch patchen und neu brennen zu können.

    Wie mit Snatcher geht es mir mit Shadowrun, auch wenn da ein (sicherlich pissiges) Browsergame kommen soll. Der SNES Teil damals war sicher keine Offenbarung aber er war super, was die Atmosphäre anging. Das Mega Drive Pendant (leider ja kein RPG) stank dagegen leider ja ziemlich ab. (Das PC / XBox360 Ballergame wollen wir hier gar nicht erst erwähnen).

    Ach was hätte ich gerne moderne Versionen solcher Cyberpunk-Spiele, aber außer Fantasy gibt es ja höchstens mit Mass effect noch Sci-Fi im RPG Sektor, und Mass Effect ist auch schon eher ein Shooter. Selbst ein Adventure wäre mir schon fast recht, Westwoods Blade Runner war damals super. Und Ego-Shooter gibt es im Blade Runner Outfit ja inzwischen viele, seien es Deus EX Human Revolution, Hard Reset, EYE Divine Cybermancy usw. nur fehlt bei denen halt viel Atmosphäre, weil der Hauptteil eben das Ballern ist und man eher weniger erkundet, erforscht, redet usw. Außerdem sind mir die Settings noch zu typisch, es fehlt das gewisse Etwas, das Snatcher oder Shadowrun bieten.


  2. Sdatcher - Hideo Kojima goes Hörspiel | Konsolen, Kino und Konsorten - Spontanbesorger.de
    sagt:

    […] kurzem habe ich hier von Snatcher, einem meiner Lieblingsspiele, berichtet. Kurz darauf tauchten in Hideo Kojimas Tweets diverse […]


  3. Deus Ex: Human Revolution – Mein Videospieljahr 2011 | Konsolen, Kino und Konsorten - Spontanbesorger.de
    sagt:

    […] welches so schon lange nicht mehr gab. Im jedem Fall ist es endlich mal wieder ein Spiel mit Cyberpunk-Setting, das seinem Genre mehr als gerecht wird. Deus Ex: Human Revolution auf […]

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